SRI, daten und Verzerrung: das Bermuda-dreieck der Fondsmanager

16/07/2019

Im letzten Jahrzehnt hat das Bewusstsein für ESG-Fragen zugenommen, wobei die Anleger sich zunehmend genötigt fühlen, nicht-finanzielle Informationen in ihren Analysen und Anlagelösungen zu berücksichtigen. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, müssen die Anleger zunächst verstehen, worum es geht, und ein wachsendes Spektrum an Unternehmensdaten zu verschiedensten Bereichen sammeln.

Doch die größten Herausforderungen, denen sich die Anleger gegenübersehen, sind der Erhalt von Zugang zu Datenqualität und Relevanz sowie die Steuerung der Grenzen dieser ESG-Daten und der möglichen Folgen auf die Umsetzung einer SRI-Strategie.

50 SCHATTIERUNGEN VON DATEN

ESG-Daten umfassen jegliche Indikatoren, die den Nachhaltigkeitskontext eines Vermögenswerts, einer Fazilität oder eines Unternehmens beleuchten. Heutzutage lassen sich vier Haupttypen von ESG-Daten definieren: „Zwingende ESG-Offenlegungen“ wie finanzielle Meldungen, Stimmsrechtsvollmachten oder zwingende nicht-finanzielle ESG-Informationen, „freiwillige ESG-Offenlegung“ aus Nachhaltigkeitsberichten, Firmenwebsites, ESG-Offenlegungsstudien (z.B. CDP) oder freiwilligen Initiativen (TCFD usw.). Außerdem „öffentliche und alternative Quellen“, die von verschiedensten öffentlichen Quellen wie den Medien, NROs, Staaten und Akademikern bereitgestellt werden, und schließlich „berechnete ESG-Informationen“. Berechnete Daten können einerseits von ESG-Rating-Anbietern stammen, die ihre proprietären Methoden zur Verarbeitung und Standardisierung bestehender Daten in verschiedenste Metriken, Bewertungen, Ratings und Rankings verwenden. Andererseits stammen berechnete Daten von spezialisierteren Anbietern, die bestimmte Themen (z.B. Klimarisiko, soziale Auswirkung usw.) abdecken. Und schließlich haben auch FinTechs den Bereich für sich entdeckt. Da die Anzahl der Unternehmensoffenlegungen, -meldungen und externen Quellen im Laufe der Zeit gestiegen ist, entsteht weiterhin eine exponentielle Masse von Daten, die die Anleger vor die offensichtliche Fragen stellt, wie sie all diese Informationen und ihre Erheblichkeit verarbeiten und beurteilen sollen und wie sie ESG-Datenbeschränkungen angehen können.

 

50 SCHATTIERUNGEN VON VERZERRUNG

Diese Daten könnten zahlreiche Verzerrungen enthalten, die, wenn sie nicht richtig zur Kenntnis genommen und gehandhabt werden, die Anleger gefährden und zu falschen Anlageentscheidungen führen könnten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit könnte „Verzerrung der Rohdaten“ die erste sein. In der Tat ist ESG-Reporting immer noch freiwillig, daher sind weder die Metriken noch die bereitgestellten Bilanzierungsmethoden konsistent, was die Vergleichbarkeit von Unternehmen und Branchen herabsetzen kann. Das impliziert unter anderem viele fehlende Daten ohne klare Begründung (legt diese ein Unternehmen nicht offen?), was zu einer Verzerrung in den Analysen der Anleger führen kann. „Branchenverzerrung“ ist eine weitere, die darin begründet liegt, dass unternehmensspezifische Risiken und Unterschiede bei den Geschäftsmodellen in Composite Ratings nicht immer ordnungsgemäß berücksichtigt werden. Aufgrund erheblicher Unterschiede bei den Geschäftsmodellen und dem Risikoengagement werden Unternehmen in derselben Branche häufig nach dem gleichen Modell beurteilt.

Doch ESG-Daten können eine „geographische Verzerrung“ aufweisen, da regulatorische Reporting-Anforderungen und kommerzielle Standards zur ESG-Offenlegung stark schwanken, was zu erheblichen Abweichungen zwischen Regionen führt. Europäische Unternehmen weisen im Durchschnitt bessere Bewertungen auf als US- oder japanische Unternehmen, was einen weltweiten Branchenvergleich und die Integration erschwert. Unternehmen mit strengeren Offenlegungsvorschriften werden den ESG-Bewertungsanfragen besser entsprechen.

Außerdem kann eine „Börsenkapitalisierungsverzerrung“ auftreten, da höhere Börsenkapitalisierungen in der Regel erheblich höhere ESG-Ratings aufweisen. In der Tat stellen größere Unternehmen mehr Ressourcen bereit, um Fragebögen Dritter zu beantworten und eine nuanciertere und positivere Sicht auf ihre Tätigkeit zu entwickeln. Daher lässt sich wahrscheinlich eine Korrelation zwischen der Fähigkeit eines Unternehmens, ESG-Inhalte zu erstellen, und der Qualität seiner ESG-Bewertungen feststellen! „Kulturelle Verzerrung“ spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

 

VON VERGANGENHEITS- ZU ZUKUNFTSORIENTIERT

Ein SRI-Fondsmanager muss aufgrund von Überzeugungen arbeiten, er kann nicht feige nur in den Rückspiegel schauen.

Heutzutage sind ESG-Bewertungen hauptsächlich vergangenheitsorientiert, da das Reporting der Bewertungsanbieter einen zeitlichen Versatz enthält und nur jährlich aktualisiert wird, was im Vergleich zum finanziellen Zeitrahmen ziemlich träge ist. Mit dem Mehrwert einer laufenden Anlegerbindung und Kontroversitätsanalyse können sich ESG-Daten bestenfalls das aktuelle Bild ansehen.

Dennoch besteht, über diese Zeitskalafrage hinaus, die heutige Herausforderung für den Aufbau verantwortlicher langfristiger Strategien darin, die besten ESG-Daten auszuwählen, die die finanzielle Performance maximieren und eine Reihe von alternativen Daten ergänzen, die die vorausschauende Erfassung der schwachen Signale eines Unternehmens für bessere Reaktivität ermöglichen.

Obwohl Big-Data-Technologien zur Handhabung des exponentiell zunehmenden Volumens von ESG-Daten beitragen werden müssen, bleiben Menschen bei der ESG-Analyse essentiell, zum Beispiel bei Bindungsaktivitäten mit Unternehmen, die die Unterstützung für die Einführung bewährter Vorgehensweisen ermöglichen, aber auch indem sie neue Profile und Kompetenzen in der Datenwissenschaft fördern, die diese Daten und diese Methoden verstehen und in innovative SRI-Strategien übersetzen können.

 

 

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