können wir glauben, dass 80% des verwalteten vermögens mehr oder weniger ri-strategien folgt?

26/09/2019

Wie aufrichtig und effektiv sind die Bemühungen, eine Haltung des verantwortlichen Investierens (RI für Responsible Investment) zu implementieren? Sind sie nur Greenwashing alter, unveränderter Gewohnheiten? Nachdem wir bei AG2R LA MONDIALE behaupten, etwa 100% des verwalteten Vermögens unter einem Schirm des verantwortlichen Investierens zu haben, werde ich die Frage erst in unserem eigenen Fall angehen, ehe ich zum Thema der Branche insgesamt weitergehe.

Alles hängt vom Grad der Erwartung ab: Besteht eine Politik des verantwortlichen Investierens darin, nicht-finanzielle Kriterien in das Asset Management einzuführen (d.h. eine Mittelverpflichtung)? Oder zielt sie darauf ab, von einem ESG (Environmental, Social & Governance - Umwelt, Soziales und Unternehmensführung)-Standpunkt her äußerst tugendhafte Portfolios hervorzubringen (d.h. eine Ergebnisverpflichtung)?

AG2R LA MONDIALE hat etwa 100 Milliarden Euro an verwaltetem Vermögen1:

  • von dem wir behaupten, dass fast 100% in den Rahmen unserer RI-Politik fallen;
  • von dem 10 Mrd. Euro in etablierten internen Fonds für nachhaltiges und verantwortliches Investieren (SRI für Sustainable & Responsible Investment) angelegt sind, die mit einem hohen ESG-Rating im Einklang stehen.

Der Unterschied zwischen RI und SRI ist nur ein Buchstabe, S, aber das bedeutet nicht, dass RI vergessen hat, „sozial“ zu sein, sondern es weist eher darauf hin, dass RI nicht so selektiv sein soll wie es SRI-Fonds sind. Wenn es noch möglich wäre, wäre es nett, das Akronym SRI als „Selective Responsible Investment“ (Ergebnisverpflichtungen) umzudefinieren, was sich gut mit RI (Mittelverpflichtung) ergänzen würde, um das gesamte Spektrum möglicher Politiken abzudecken.

Unsere RI-Politik ist daher in erster Linie eine Mittelverpflichtung. Wir haben noch vor der Implementierung des französischen Gesetzes über die Energiewende eine interne Politik eingerichtet, nicht-finanzielle Erwägungen in unseren Anlageprozess einzubeziehen und zu den allgemeinen Zielen nachhaltiger Entwicklung beizutragen. Unser Anliegen wurde im März 2018 gestärkt, als das Unternehmen den PRI als institutioneller Anleger zeichnete und damit all unser verwaltetes Vermögen und nicht nur das Vermögen innerhalb unserer Asset-Management-Gesellschaft verpflichtete. Diese Mittelverpflichtung, häufig als „ESG-Integration“ bezeichnet, mag schwierig zu quantifizieren oder mit greifbaren Nachweisen zu veranschaulichen sein, doch sie ist eine echte tagtägliche Praxis, beginnend mit der traditionellen „Morgenbesprechung“, bei der die ESG-Analysten zusammen mit anderen Analysten und Fondsmanagern – allen Fondsmanagern, nicht nur den SRI-Experten – eingreifen. Alle Manager haben Zugriff auf die proprietäre ESG-Datenbank des Unternehmens. Anleihe- und Aktienemittenten erhalten eine Bewertung, die auf einem breiten Spektrum an ESG-Kriterien beruht. Die Anleiheanalysten nehmen diese ESG-Bewertungen auch in ihre eigene Beurteilung auf, ebenso wie es die Länderrisikoanalyse tut. Die Integration von ESG geht zwei Schritte über den reinen Informationsprozess hinaus. Sie umfasst auch eine Reihe von Branchenausschlüssen (besonders umstrittene Waffen, Tabak und Kohle) und eine aktive Stimmrechtspolitik in AGMs – ähnlich der für unsere SRI-Fonds.

Was diese SRI-Fonds angeht, so waren sie historisch gesehen unser erster RI-Schritt Anfang der 2000er-Jahre. Sie werden mit einem klassischen Best-in-Class-Ansatz geführt, wobei Emittenten zunächst auf Grundlage ihrer ESG-Bewertungen ausgewählt werden: sie müssen auf oder über der mittleren Branchenbewertung liegen. Dann kommt die finanzielle Auswahl. Das führt zu einer hohen Selektivität, da etwa 50% des Anlageuniversums  ausgeschlossen werden. Es stellt auch sicher, dass die Fonds nicht einen der ESG-Aspekte ausschließen – besonders wichtig in einer Zeit, in der ökologische Fragen leicht im Mittelpunkt stehen: vergessen wir die sozialen und Unternehmensführungsherausforderungen nicht. Die Selektivität kann man als greifbaren Nachweis oder Engagement, als vom Anleger ergriffene Maßnahmen ansehen. Sie ist für externe Prüfung und für die Kennzeichnung geeignet – und wir haben die Schaffung eines öffentlichen SRI-Labels in Frankreich begrüßt. Es kann deutlich dazu beitragen, Verdacht abzubauen, dass ESG vielleicht nur "Greenwashing" ist. Es wird die Asset Manager zwingen, in ihren Prozessen transparenter und konsistenter zu sein. Doch Selektivität bedeutet Ausschluss: wie viel der Weltwirtschaft ist es passend oder politisch akzeptabel, vom Fondszugang auszuschließen: Energie? Transport/Verkehr? Bergbau? Bankwesen? Der Best-in-Class-Ansatz geht diese Problematik teilweise an, indem er in allen Branchen eine Position hält (mit einigen sehr beschränkten Ausschlüssen: Tabak, Kohle...). Doch der Best-in-Class-Ansatz schließt immer noch die Hälfte der Unternehmen aus. Daher kann er per Definition nicht auf 100% des Anlageuniversums ausgeweitet werden. Daher können SRI-Fonds den RI-Investitionsansatz anführen, der wichtigste Anstoß sein, um ESG-Nachzügler anzutreiben. Doch es ist schwierig, sich vorzustellen, wie sie 100% des verwalteten Vermögens erobern sollen.

Hoffentlich wird sich der hier festgestellte Unterschied zwischen RI und SRI in Zukunft eher verwischen:

  • die Kriterien für gute Ergebnisse einer RI-Politik mögen allmählich absolut berechnet werden statt relativ, wie es heute bei Best-in-Class-Methoden der Fall ist. Dafür brauchen wir Fortschritte auf stärker standardisierte und messbare ESG-Merkmale von Unternehmen und Staaten hin.
  • ESG-Missbrauch mag allmählich verboten werden, sodass das Anlageuniversum immer kompatibler mit nachhaltiger Entwicklung wird – und die echte Welt mit ihm.
1 AG2R La Mondiale-Website. Finanzbericht 2018. https://www. ag2rlamondiale.fr/investors/financial-results