Marktdaten: die Entstehung eines Fachberufs

24/10/2019

In den letzten zehn Jahren ist der Bedarf an Marktdaten deutlich gestiegen. Deshalb sind die Akteure im Finanzsektor nunmehr gefordert, ihren Bedarf und die von den Anbietern auferlegten Vertriebs- und Nutzungsrechteinschränkungen besser zu managen, um ihre Kosten zu optimieren.

Was umfasst der Begriff „Marktdaten“ wirklich?

Marktdaten, die von den Experten selbst als „Market Data“ (dem englischen Begriff dafür) bezeichnet werden, haben oft je nach Finanzinstitut unterschiedliche Definitionen. Wie kann man sie also definieren?  

Marktdaten:

  • Bezeichnen alle Daten über Dritte in Verbindung mit Wertpapieren (Emittenten, Sicherheitengeber…) und Finanzinstrumenten (Merkmale, Kurs, Wertpapiergeschäfte …), die von Märkten, Emittenten und Unternehmen stammen;
  • Werden in allen Bankabläufen, vom „Pretrade“ bis zur „Front-to-Back“-Rechnung, und während des gesamten Verwaltungszyklus, von der Entscheidungsfindung über das Reporting und natürlich die Bewertung der Finanzportfolios bis hin zum Risikomanagement verwendet; können verschiedenster Art sein und sowohl Preisdaten (z.B. Kurs eines börsennotierten oder OTC-Titels, Geld-/Briefspanne, errechneter Preis, Sensitivität, Zinskurve) als auch Merkmale eines Titels wie den Emittenten, das Rating oder die Kennnummer betreffen. Sie können auch Wertpapiergeschäfte wie die Trennung des Dividendenanrechts am Ex-Tag, das Datum des nächsten Kupons etc. umfassen;
  • Können neben der Art auch nach der Häufigkeit ihrer Aktualisierung unterschieden werden, d.h. täglich, wöchentlich oder monatlich.

Marktdaten sind für das Funktionieren aller Finanzabläufe wesentlich und unerlässlich.

Um die Explosion der Menge an Marktdaten zu nutzen, sind höhere Qualitätsmaßstäbe erforderlich

In den letzten Jahren war ein spektakulärer Anstieg der Nutzung von Marktdaten zu beobachten. Dieser Trend, der in den 1980er Jahren mit der Finanzialisierung der Wirtschaft und der Verbriefung von bestimmten Finanzprodukten begonnen hat, hat sich nach der Finanzkrise von 2008 verstärkt.

Die Krise hatte nämlich dazu geführt, dass zahlreiche nationale oder europäische Vorschriften zum Schutz der Endanleger entstanden sind und umgesetzt wurden, womit den Finanzakteuren, insbesondere den Versicherungsgesellschaften, Vermögensverwaltern und Banken, neue Pflichten auferlegt wurden.
Im Rahmen dieser Vorschriften muss insbesondere eine bestimmte Anzahl von Berichten über die gehaltenen Finanzportfolios an die Aufsichtsbehörden übermittelt werden, was die Einholung einer wachsenden Anzahl von Finanzdaten erfordert. Zu den Richtlinien, die diese Berichte vorschreiben, zählen AIFM-Richtlinie1, OGAW2, FATCA3, Solvabilität II4 oder jüngst MIFID II5.
Die Explosion des Bedarfs an Marktdaten ist jedoch nicht nur allein den Vorschriften zuzuschreiben. Die in den letzten Jahren zunehmende Komplexität der Finanzinstrumente spielt dabei ebenfalls eine Rolle. Zum Beispiel muss zur Preisbestimmung bestimmter Kontrakte das Expertenwissen von Finanzingenieuren eingeholt werden, die komplizierte Berechnungen auf der Basis mathematischer Modelle anstellen und dafür verschiedene Marktdaten benötigen.
Diese Daten, die in fast allen Entscheidungsinstrumenten verwendet werden, müssen höchsten Ansprüchen an Qualität, Verfügbarkeit, Latenzzeit etc. genügen und sehr strikten Kontrollprozessen unterliegen.
Angesichts des gestiegenen Bedarfs an Marktdaten sind sich die Akteure im Finanzsektor bewusst, dass sie ihre Kenntnisse vertiefen und erweitern müssen, um sicherzustellen, dass die Daten alle Konformitäts- und Qualitätskriterien von Nachfragenden, Anbietern und Aufsichtsbehörden erfüllen.

Eine kleine Anzahl von Anbietern teilt sich den Markt

Vor diesem Hintergrund müssen Finanzinstitute die besten Anbieter auswählen. Die Anforderungen, um sich Datenanbieter nennen zu können, sind hoch, und wenige Akteure können die für die Ausübung dieser Tätigkeit notwendige Infrastruktur, Konnektivität und Kontrollen bereitstellen. Der Markt der Marktdatenanbieter ist daher konzentriert und umfasst drei Schwerpunktbereiche.

  1. Der erste Schwerpunktbereich umfasst die historischen Akteure und Generalisten, wie Bloomberg, Refinitiv (ehemals Thomson Reuters), Six Financial, ICE …, die über großes Investitionskapital verfügen, um Daten zu erfassen, zu vertreiben und ihre Nutzung zu kontrollieren. Der Verhandlungsspielraum der Finanzinstitute gegenüber diesen Akteuren ist gering, was hauptsächlich dem Kräfteverhältnis zuzuschreiben ist, da die meisten Finanzinstitute nur einen geringen Anteil der Umsätze dieser Akteure ausmachen.
  2. Der zweite Schwerpunktbereich umfasst die Index- und Ratingspezialisten. Der Markt der Ratinganbieter ist sogar noch stärker konzentriert und besteht aus einer Handvoll von Hauptakteuren (S&P, Moody‘s, Fitch, FTSE, MSCI), die 20176 einen weltweiten Marktanteil von 93 %6 besaßen. Bei dieser Art von Daten ist der Verhandlungsspielraum ebenfalls begrenzt.
  3. Der letzte Schwerpunktbereich umfasst die Nischenanbieter. Als Beispiel seien hier IHS Markit, Advantage Data oder auch Value & Risk zu nennen.

Jeder Marktdatenanbieter arbeitet anders, was die Vertriebsrechte an ihren Daten, die Abfragemodalitäten für ihre Daten (einzeln oder nach Datenart gruppiert - so genannte „Massendaten“) und die Art und Weise der Inrechnungstellung betrifft, um nur die Hauptkriterien zu nennen, die die Verträge regeln und zur Auswahl von Dienstleistern herangezogen werden können.

Die Welt der Daten entwickelt sich rasant und die Modelle der Anbieter (Rechnungsstellung, Vertriebsbedingungen) ändern sich regelmäßig, wobei die Kosten ständig, ja sogar exponentiell steigen. Auf diesem konzentrierten und engen Markt mit begrenztem Handlungsspielraum ist es daher notwendig, die Arbeitsweise der Anbieter gut zu kennen, um die Marktdaten zu möglichst geringen Kosten optimal nutzen zu können.
Neben der Kenntnis der Marktdaten ist es daher heute von entscheidender Bedeutung, die Marktdatenanbieter und ihre Arbeitsweise zu kennen, um die Nutzung der von ihnen angebotenen Daten so optimal wie möglich an den Bankbedürfnissen der Akteure im Finanzsektor auszurichten.

Neue Fachgebiete und Fachberufe entstehen

Um ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der „Marktdaten“ innerhalb ihrer Strukturen zu stärken, haben sich die Finanzinstitute so organisiert, dass sie:

  1. Den internen Bedürfnissen angemessen entgegenkommen können, wobei nicht immer die gleichen Anforderungen für alle Bankbedürfnisse gelten, auch wenn sie dieselben Daten verwenden; und
  2. Die exponentiellen Kosten ihrer Anbieter optimieren können.

Die für ein umfassendes Verständnis des Themas erforderlichen Kompetenzbereiche umfassen mehrere Dimensionen:

  • Marktkenntnis, Beobachtung der Akteure, der neuen Finanzprodukte sowie der regulatorischen Projekte;
  • Kenntnis der technischen Entwicklungen im Bereich der Bereitstellung von Daten in Repositorien und verwandter Prozesse, um die robustesten Instrumente zur Verwaltung der Menge, Verarbeitung und Kontrolle der Daten sowie zum Management mehrerer Anbieter auswählen zu können, und sie bei Bedarf tauschen zu können;
  • Juristische Kompetenzen, um die Verhandlungen mit den Anbietern beeinflussen zu können;
  • Kenntnisse der Rechnungsstellungsmodelle der Anbieter, ihres Umfangs und der Möglichkeiten zur Nutzung ihrer Daten, um die Erwartungen des Sektors möglichst kostengünstig erfüllen zu können;
  • und schließlich kaufmännische Kompetenz, um den wachsenden Anforderungen der Kunden an ein Outsourcing der Verwaltung ihrer Finanzdaten gerecht zu werden.

Deshalb kann man bei den Finanzinstituten dieEntstehung neuer Fachberufe feststellen:

  • Datenmanager
  • Fachkraft Einkauf von Marktdaten
  • Auf diese Tätigkeiten spezialisierte Juristen
  • Experten für Marktdaten

Deshalb sind Kompetenzen im Bereich Marktdaten so wichtig wie noch nie. Durch eine optimale Verwaltung ermöglichen sie den sich im Wandel befindlichen Finanzbranchen, erhebliche Einsparungen zu erzielen.

In diesem Zusammenhang hat Societe Generale Securities Services seit über zehn Jahren Kompetenz auf dem Gebiet der Marktdaten entwickelt, die sich über alle Länder erstreckt, in denen wir vertreten sind. Unsere kritische Größe und unsere robusten Instrumente zur Verwaltung mehrerer Anbieter ermöglichen uns, unseren Vermögensverwaltungs-, institutionellen und Versicherungskunden Dienstleistungen mit Mehrwert anzubieten, wie die Erstellung von Post-Trade-Berichten (Solvabilität II, AIFM-Richtlinie…), oder auch die Verwaltung von Marktdaten-Repositorien im Auftrag Dritter.

 

1 AIFMD: Alternative Investment Fund Managers Directive
2 UCITS: Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities Directive
3 FATCA: Foreign Account Tax Compliance Act
4 Solvency II: directive 2009/138/EC
5 MIFID II: Markets in Financial Instruments Directive
6 Source: Article from Les Echos January 2017