Regulierungsumfeld: Eine Zehn-Jahres-Bilanz und ein Blick in die Zukunft

18/02/2019

In den letzten zehn Jahren wurden als Reaktion auf die Finanzkrise 2008 eine ganze Reihe neuer Richtlinien und Verordnungen eingeführt, um neuen Krisen vorzubeugen. Seither gab es in Europa keine neuen Finanzkatastrophen. Rückblick auf die Entwicklung des Regulierungsumfelds in den letzten zehn Jahren und Zukunftsaussichten.

Das Finanzstabilitätsforum (Financial Stability Forum, FSF) – ein internationales Wirtschaftsgremium, das beim G20-Gipfeltreffen 2009 eingerichtet wurde – hat in erster Linie das Schattenbankensystem für alle Übel von 2008 verantwortlich gemacht. Das FSF versteht darunter „ein System der Kreditintermediation mit Aktivitäten und Akteuren außerhalb des regulären Bankensystems“. Hedgefonds, Geldmarktfonds und die Verbriefung wurden als Bestandteile dieses Parallelsystems identifiziert.

In Europa wollte man – nach dem Vorbild der USA – sämtliche Akteure und Aktivitäten des Finanzsektors besser regulieren. Ziel war es, die damaligen Regulierungsvorschriften zu überarbeiten, da sie unzureichend bzw. nicht streng genug waren. Die EU-Institutionen in Brüssel und die Politiker haben folglich eine Reihe von Regulierungsmaßnahmen ergriffen, angefangen mit der EMIR-Verordnung* der EU im Juli 2012. Diese Verordnung über börsennotierte Derivate und den außerbörslichen Derivatehandel (engl. OTC*) wurde im Januar 2016 durch das Inkrafttreten der Verordnung über Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und deren Weiterverwendung (SFTR*) ergänzt. Die SFTR gilt für Geschäfte, die nicht durch die EMIR-Verordnung geregelt sind: Wertpapierleihgeschäfte, echte und unechte Pensionsgeschäfte, Buy-Sell‐Back‐ oder Sell-Buy-Back-Geschäfte.

Die AIFM-Richtlinie*, die im Juli 2013 in Kraft trat und auf der die OGAW V* hauptsächlich basiert, sollte im ersten Entwurf des Projekts nur Hedgefonds regeln, denen vorgeworfen wurde, für die Finanzkrise 2008 verantwortlich gewesen zu sein. In diesem Jahr hatten sich zwei dramatische Ereignisse zugetragen: Im September kam es zum Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers und im Dezember zur Aufdeckung des Ponzi-Systems, dem Finanzbetrugssystem von Bernard Madoff. Daraufhin wurden alle OGA* in die AIFM-Richtlinie aufgenommen, die keine OGAW* waren, unter anderem Private-Equity-Fonds und Immobilienfonds. Außerdem galt der Großteil der Angaben, die in Finanzberichten gemacht werden mussten (z. B. Extremwerte oder Derivate), nur für Hedgefonds und nicht für die übrigen Anlageklassen. Dies führte bei der Implementierung bestimmter vorgeschriebener IT-Instrumente zu einigen Bugs. Hinzu kam, dass einige alternative Asset-Manager diese Vorschriften der AIFM-Richtlinie, bei denen der Anlegerschutz im Vordergrund stand, für nicht gerechtfertigt hielten: Ihre Kunden und sie selbst – als kompetente Experten – verstanden ihre Anlagen und wussten mit den damit verbundenen Risiken umzugehen.

Ein besserer Anlegerschutz setzt auch mehr Transparenz voraus, d. h. mehr Kommunikation. Die im Januar 2018 in Kraft getretene MiFID-II-Richtlinie schreibt vor, dass die den Kunden übermittelten Informationen klar, korrekt, eindeutig und stets aktuell sein müssen.

Legen die Regulierungsbehörden nun eine Pause ein?

Nach den Ereignissen im Jahr 2008 haben das Europäische Parlament und die Europäische Kommission auf Regulierungsebene eine Reihe konkreter Maßnahmen ergriffen. Dabei haben sie sich unter anderem auf eine Studie gestützt, die vom US-Meinungsforschungsinstitut für Gallup-Umfragen1 durchgeführt wurde. 2005 gaben 53 % der Befragten an, „Vertrauen in die Finanzmarktakteure“ zu haben. Als diese Frage im Jahr 2012, also vier Jahre nach der Finanzkrise, erneut gestellt wurde, waren nur noch 21 % der Antworten positiv.

Doch was spricht für und was gegen die Regulierung? Die Regulierung ist zweifellos notwendig, um die Fehlfunktionen unserer Finanzsysteme einigermaßen zu beheben, aber eine effiziente Regulierung ist eine echte Herausforderung.

Niemand möchte die Subprime-Krise oder die verheerenden Ereignisse im globalen Finanzsystem im Jahr 2008 und den darauffolgenden Jahren erneut durchleben. Um einige Klippen zu umschiffen, hat die Europäische Union eine Reihe von Verordnungen und Richtlinien eingeführt. Als Beispiel sei an dieser Stelle das Regelwerk von Juli 2017 genannt: die Verordnung über Geldmarktfonds bzw. MMFR*, die ein Jahr später in Kraft trat.

Einige Anpassungen sind zwar noch erforderlich, aber die meisten Regulierungsmaßnahmen, die sich direkt oder indirekt auf OGA auswirken, wurden umgesetzt. Damit liegt die Zeit bedeutender Neuregelungen im Rahmen von EMIR, AIFMD, UCITS V, SFTR, MMFR*, MiFID II*, PRIIPs* hinter uns. Sie sind in Kraft getreten, wurden in nationales Recht umgesetzt und implementiert.

Dies eröffnet dem Regulierungsumfeld eine willkommene Atempause. Die meisten Akteure sind derzeit damit beschäftigt, ihre operativen Prozesse, die sie seit fast zehn Jahren vorschriftsgemäß überarbeiten, zu konsolidieren, zu finalisieren, anzupassen, zu automatisieren und zu industrialisieren.

Die AIFM-Richtlinie wurde von Verwahrern und alternativen Asset-Managern zwar ursprünglich als Revolution gefürchtet, dennoch ist das Vermögen alternativer Fonds seit 2013 um 62 % gestiegen2. Sie haben die Marke von 6.000 Milliarden Euro überschritten, was zeigt, dass die AIFM-Richtlinie letztendlich ein überaus gelungenes Regulierungsprojekt ist – trotz des anfänglichen Aufschreis in der Investmentbranche. Mit der AIFMD wurden neue Sparten und Chancen für Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum geschaffen, womit dem Hauptanliegen des Projekts der Kapitalmarktunion Rechnung getragen wurde. Seit 2013 hat beispielsweise auch die Abteilung für alternative Investmentfonds der SGSS in Luxemburg ihre Teams vergrößert.

Womit ist in naher Zukunft zu rechnen?

Ein neuer Regulierungsfahrplan wird nach den Europawahlen im kommenden Mai veröffentlicht. Werden die Europaabgeordneten entscheiden, die AIFM- und OGAW-Richtlinien zusammenzuführen und durch eine einzige Richtlinie für OGA zu ersetzen? Wird man eine einzige Methode zur Meldung von Transaktionen für EMIR, SFTR und MiFID II* vorschlagen? Ist eine Harmonisierung der zu erstellenden Informationen denkbar, sodass der Anleger nur ein einziges KIID* erhält, egal ob es unter PRIIPS, MiFID II, OGAW V oder AIFMD fällt?

In den nächsten Monaten werden ESG*-Kriterien – deren Einbindung in ein Regelwerk von Vorteil wäre – oder der technologische Wandel immer weitreichendere Auswirkungen haben.

Die Technologie ist immer weniger mit der zunehmenden Zahl von regulatorischen Dokumenten vereinbar. RegTechs stellen Banken unter anderem automatisierte Lösungen zur Datenkontrolle zur Verfügung, mit denen Geldinstitute effizienter werden können, und erleichtern somit die Anwendung von Regulierungstexten, ohne sich auf deren Länge auszuwirken. Ein Beispiel: MiFID II umfasst über 2.000 Seiten! Erfahrungsgemäß können die Einführung und Umsetzung eines kürzlich in Kraft getretenen Regelwerks innerhalb der Institutionen einige Zeit in Anspruch nehmen. Die 18 Monate, in denen die Neuregelungen umgesetzt werden müssen, können mitunter sehr kurz erscheinen. Dies verdeutlicht die teils riskante und langwierige Verzögerung zwischen der in den Regelwerken vorgesehenen und der von den Marktakteuren praktizierten Umsetzung.

Zudem ist in Europa die fehlende Steuerharmonisierung am Rande der regulatorischen Harmonisierung nach wie vor ein Problem. Andererseits könnte die am 1. Januar 2019 in Kraft getretene ATAD* die Wirtschaftslandschaft der EU* neu gestalten. Das liegt daran, dass einige Unternehmen, die gegenwärtig gewisse Steuervorteile genießen, das Land ihrer Niederlassung oder ihres Geschäftssitzes verlassen könnten. Nicht zu vergessen ist auch der Brexit, dessen Ausgang bis heute ungewiss ist.

Was die demografische Entwicklung in Europa und insbesondere das Thema Altersvorsorge betrifft, besitzen nach Angaben der EIOPA* 67 Millionen (27 %)3 der EU-Bürger im Alter von 25 bis 59 Jahren ein privates Altersvorsorgeprodukt. Die Mitgliedstaaten hatten 24 Monate Zeit (bis zum 13. Januar 2019), um die Richtlinie 2014/91/EU über Pensionsfonds in nationales Recht umzusetzen. Bis heute können noch keine Angaben dazu gemacht werden, in welchen Ländern sie umgesetzt sind. Zum gleichen Thema ist festzuhalten, dass das 2017 von der EU gestartete PEPP*-Projekt das gleiche Ziel verfolgt: Es soll Europa auf den demografischen Wandel vorbereiten, dem sich die Region stellen muss und der zunehmend Druck auf die Staatshaushalte ausüben wird.

Erfreulicherweise liegt Luxemburg in Bezug auf das verwaltete Vermögen in vor Ort ansässigen OGA auf Platz eins – mit 3.500 Milliarden Euro bzw. 35,9 % des Vermögens in Europa4. Irland belegt mit 1.900 Milliarden Euro bzw. 19,1 % den zweiten Rang. Allerdings könnten die zuletzt vorgenommenen Änderungen auf Ebene des delegierten Rechtsakts der Richtlinien OGAW 2014/91/EU und AIFM 2011/61/EU, die den Verwahrern ab dem 1. April 2020 neue Regeln auferlegen, Auswirkungen auf die Zahl der derzeit in Luxemburg tätigen Verwahrer (67) haben, da die Umsetzung dieser Neuregelungen hohe Kosten mit sich bringt.

 

Published by the AGEFI (February 2019)