Die Europäische Union und nachhaltige Finanzierung ein ehrgeiziger Plan in aktion

22/10/2019

Um ihre Klimaziele bis 2030 zu erreichen, hat die EU-Kommission einen ehrgeizigen Aktionsplan verabschiedet, um Investitionen in Richtung eines grünen Übergangs zu lenken. Der öffentliche Sektor und die Kapitalmärkte müssen gemeinsam investieren, um dieses Ziel zu erreichen.

Schon 2015 unterzeichnete die Europäische Union die UN-Nachhaltigkeitsziele und das Pariser Abkommen über den Klimawandel: so wurde Nachhaltigkeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitikagenda der EU zu einer obersten Priorität. Das bedeutet die Unterstützung des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft, umweltfreundlichem und inklusivem Wirtschaftswachstum auf Grundlage von CO2-armen, erneuerbaren und energieeffizienten Lösungen. Zur Sicherstellung, dass ihre Klimaziele für 2030 erreicht werden, hat die EU-Kommission die jährliche Investitionslücke auf 180 Mrd. € geschätzt1. Das übersteigt die Kapazitäten des öffentlichen Sektors alleine: daher wird von den Kapitalmärkten erwartet, eine entscheidende Rolle zu spielen. In den letzten drei Jahren haben sich die EU-Institutionen stark dafür eingesetzt, einen politischen und rechtlichen Rahmen zu entwickeln, der das Finanzsystem zur Weiterleitung von Geldanlagen in eine grüne Wende befähigt.

Nachdem sie sich von einer hochrangigen Sachverständigengruppe hat beraten lassen, verabschiedete die EU-Kommission im März 2018 einen Aktionsplan, der zehn Vorschläge darlegt und zeitlich plant, die ausgerichtet sind auf:

  • die Umorientierung von Geldanlagen in nachhaltige Projekte;
  • die Verbesserung der Steuerung erheblicher ESG-bezogener Risiken;
  • die Erhöhung der Transparenz und die Förderung eines langfristigen Ansatzes bei geschäftlicher und finanzieller Tätigkeit.

Im Mai 2018 wurden drei Regulierungsvorschläge formuliert im Hinblick auf2:

  • eine "Klassifikation" zu ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeit als standardisiertes und einheitliches Klassifizierungssystem für nachhaltiges und verantwortliches Investieren (SRI);
  • Offenlegungsanforderungen für institutionelle Anleger darüber, wie ökologische, soziale und Unternehmensführungskriterien (ESG) in Anlagepolitiken und Risikosteuerungsverfahren aufgenommen werden;
  • neue Benchmark-Kategorien für das Testen der Anlegerportfolios auf CO2-arme und sich positiv auf CO2 auswirkende Körbe.

Man sollte beachten, dass die EU-Kommission die Verordnung gewählt hat: da sie in allen Mitgliedsstaaten gleichzeitig automatisch als Gesetz durchsetzbar ist, ist sie der verbindlichste gesetzgeberische Akt im EU-Rechtssystem. Das zeigt deutlich die Wichtigkeit und Dringlichkeit, die die EU-Institutionen dem Mainstreaming nachhaltiger Ansätze an den Finanzmärkten zuerkennen. Außerdem hat die EU-Kommission eine öffentliche Konsultation zum Thema Integration von ESG-Erwägungen in Finanzberatung eingeleitet, um MiFID II und die Richtlinie über Versicherungsvertrieb zu ändern. Kurz nach der Veröffentlichung der Vorschläge bildete die EU-Kommission im Juni eine Sachverständigengruppe für nachhaltige Finanzierung (Technical Expert Group on Sustainable Finance, TEG), die mit der Erstellung von Empfehlungen zu vier Themen beauftragt ist:

  • klassifikation;
  • unverbindliche Richtlinien für klimabezogene Offenlegungen für Unternehmen des öffentlichen Interesses;
  • CO2-arme und sich positiv auf CO2 auswirkende Benchmarks;
  • EU-Standard für grüne Anleihen.

Die TEG, die ihre Aufgaben bis Juni 2019 fertigstellen soll, hat drei Berichte zu Klassifikation, Offenlegungen und Standard für grüne Anleihen erstellt. Das Dokument zu Benchmarks wird gerade fertiggestellt und die Klassifikation soll fertiggestellt werden.

Klassifikation

Im Dezember 2018 veröffentlichte die TEG die ersten Ergebnisse ihrer Arbeit zu Tätigkeiten zum Klimaschutz3: Das Dokument führt Makrosektoren auf, die CO2-intensiv sind und/oder zur Verringerung der Emissionen in anderen Bereichen beitragen können; für jeden Sektor gibt die TEG einzelne wirtschaftliche Tätigkeiten mit fachlichen Kriterien und Bewertungen zum Fehlen negativer Auswirkungen auf andere ökologische Ziele der EU an. Die TEG soll jetzt eine "zweite Runde" von Klimaschutzmaßnahmen und eine Liste von Anpassungsmaßnahmen veröffentlichen. Letzten März verabschiedete das EU-Parlament seine Position zum Vorschlag der Kommission: nach einer langen und komplexen Diskussion stimmte es zu, jegliche Stromerzeugungstätigkeiten, die fossile Brennstoffe verwenden oder nicht-erneuerbare Abfälle erzeugen, und alle Sektoren, die einen Übergang zu einem CO2-armen System behindern, als Tätigkeiten mit einer negativen Auswirkung einzustufen. Die Möglichkeit, die Klassifikation auf soziale Fragen und Menschenrechte auszuweiten, wurde nicht verabschiedet; die Diskussion über die Eignung einer solchen Klassifikation läuft noch unter finanziellen Akteuren.

Klimabezogene Offenlegungen

Der Bericht, der im Januar herausgegeben wurde und Gegenstand einer öffentlichen Konsultation ist, enthält Empfehlungen zur Aktualisierung der unverbindlichen Richtlinien der Non-Financial Reporting Directive (NFRD). Die Arbeit der TEG zielte darauf ab, die 11 Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) des Finanzstabilitätsrats mit den Elementen zu verbinden, deren Offenlegung die NFRD verlangt.

Der Bericht erkennt drei Arten von Offenlegungen an:

  • allgemeine (das Unternehmen sollte offenlegen);
  • ergänzende (das Unternehmen sollte die Offenlegung in Erwägung ziehen);
  • Offenlegungen, die die Unternehmen in Erwägung ziehen können.

Die EU-Kommission soll ihre aktualisierten Richtlinien im Juni 2019 veröffentlichen.

EU-Standard für grüne Anleihen (GBS für Green Bond Standard)

Durch die Einführung eines gemeinsamen und standardisierten Rahmens soll der GBS die Hindernisse für die Marktentwicklung angehen und Investitionen in grüne Projekte fördern. Neben den Maßnahmenempfehlungen hat die TEG auch einen GBS-Entwurf vorgeschlagen, der mit der Klassifikation und mit gemeinsamen internationalen Zertifizierungsprogrammen, wie den Green Bond Principles, im Einklang steht. Gemäß dem Programm:

  • müssen Einnahmen in grüne Projekte investiert werden;
  • sollten Emittenten erklären, wie die grüne Anleihe auf den GBS abgestimmt ist;
  • muss der Emittent ein jährliches Reporting zu den Allokationsvolumina und -kriterien bereitstellen;
  • muss ein externer Prüfer berufen werden.

Außerdem hat die EU-Kommission den Rat von ESMA und EIOPA zur Integration von ESG-Faktoren und Risiken in die Richtlinien MiFID II, UCITS und Solvency II eingeholt. Ein weiterer wichtiger Meilenstein in dieser Phase des Reformprozesses ist die politische Einigung zwischen dem EU-Parlament und dem Rat auf Transparenzanforderungen hinsichtlich der Integration von ESG-Risiken und -Chancen in die Politik institutioneller Anleger. Es besteht immer noch Raum für weitere Gespräche darüber, ob ESG in das Konzept der Treuhandpflicht aufgenommen werden soll. Erhebliche Fortschritte wurden bereits erzielt, doch es gibt noch viel zu tun. Die Wahlen von Mai könnten erhebliche Veränderungen in der Struktur der EU-Institutionen bewirken. Wesentlich ist, nicht alles Erreichte zu verlieren: Nachhaltigkeits- und Klimaerwägungen gehen über politische Positionen hinaus.

 

(1) Website der Europäischen Kommission. 2018. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-i8-5868_en.htm 
(2) Website der Europäischen Kommission. 2018. https://ec.europa.eu/info/publications/180308-action-plan-sustainable-growth_en 
(3) Website der Europäischen Kommission. 2019. https://ec.europa.eu/info/publications/190110-sustainable-finance-teg-report-dimate-related-disdosures_en